Liebe Mitmenschen
Nichts ist mehr wie vorher
Seit dem Verlust unserer Tochter Emma ist inzwischen einige Zeit vergangen und ich kann mich noch gut an die Zeit „vorher“ erinnern…an den Kloß im Hals, wenn man erfährt, dass ein Bekannter oder Kollege, z.B. den Tod eines Kindes von seiner Wohngruppe, einen Verlust zu beklagen hat. Was soll man sagen? Wird man vielleicht verletzen, wo man trösten wollte?
Auch wenn es schwer ist – genau das ist es, was wir brauchen! Jemanden, mit dem wir reden können und der uns zuhört, wenn wir über unser Kind erzählen wollen.
Es ist völlig normal, Eltern nach ihren Kindern zu befragen. Wie alt ist es denn jetzt? Kann es schon laufen? Und die Eltern erzählen voller Stolz von ihrem Nachwuchs… Genau das möchten wir auch! Haben Sie keine Angst, uns danach zu fragen! Sie können keine Wunde aufreißen – sie brennt sowieso immer. Haben Sie keine Angst vor unseren Tränen, oder vor Ihren! Sie sind heilsam und müssen geweint werden.
Nichts ist schlimmer als das Schweigen; als so zu tun, als wäre nichts geschehen…dies macht uns traurig und lässt unser Baby ein zweites mal sterben.
Ich kann verstehen, dass es für Sie vielleicht schwer ist, mit uns umzugehen. Wir haben erfahren, dass das Leben zerbrechlich ist und dass es jederzeit jeden auf die ein oder anderen Weise treffen kann. Nichts ist mehr wie vorher.
Möglicherweise fehlen Ihnen auch die richtigen Worte…hier sind ein paar Hinweise, was Sie sagen oder tun könnten, um uns zu helfen – und was Sie bitte nicht sagen sollten.
Hilfreich ist:
• Sprechen Sie bitte mit uns! Wir sind froh über jede Gelegenheit, wenn wir über unser totes Baby sprechen können.
• Auch wenn wir uns wiederholen – hören Sie uns bitte zu. Unsere Geschichte ist nur kurz, aber uns ist sie enorm wichtig und wir müssen sie immer wieder erzählen. Wir haben leider nichts Neues zu berichten…
• Sagen Sie „Es tut uns leid!“, wenn Ihnen die Worte fehlen. Auch zu sagen „Ich weiß nicht, was ich sagen soll“ ist ehrlich und hilft.
• Manchmal sagt ein Händedruck oder eine Umarmung mehr, als tausend Worte…
• Denken Sie daran, dass die Zeit diese Wunde NICHT heilt. Wir werden immer an unser Kind denken.
• Wenn Sie uns Hilfe anbieten wollen, kommen Sie auf uns zu! Warten Sie nicht, bis wir anrufen.
• Nehmen Sie uns einfach, wie wir momentan sind. Wir werden NIE MEHR die gleichen Menschen sein, wie vorher.
Verletzend sind Sätze, wie:
• „Ihr seid noch jung und könnt andere Kinder haben.“(Mag sein, aber dieses Kind fehlt uns immer!)
• „Wer weiß, wozu es gut gewesen ist.“ (Mein Baby ist gestorben! Wozu soll das gut sein?)
• „Sei froh, dass es so früh passiert ist.“
• „Glücklicherweise hast Du es ja kaum gekannt.“
• „Du musst versuchen, es zu vergessen. (Unmöglich! Niemals!)
• „Zum Glück hast Du ja noch andere Kinder.“ (Welche dieses Kind aber nicht ersetzen können!)
• „Ich weiß, wie Du Dich fühlst.“ (Außer, man hat die gleiche schlimme Erfahrung.)
Vor 13 Jahren ist die Ina von Gruppe 09 verstorben. Ich durfte sie in ihren letzten Wochen und Tage im Krankenhaus mit begleiten. Dafür bin ich dankbar. Ihr Tod war einfach nur traurig und ich musste erfahren, dass Sterben nicht das ist, mit dem ich mich wirklich auseinandergesetzt habe.
Sterben ist etwas normales, alltägliches, aber nicht in meinen Alltag integriertes, auch heute noch nicht.
Wenn meinen Kindern etwas zustößt, ernsthaft erkranken oder gar sterben, so ist dies für mich das Schlimmste, was ich mir vorstellen konnte, und den meisten Eltern wird es ähnlich gehen. So dachte ich bisher immer.
Jetzt ist unsere Tochter, Emma, verstorben. Und es ist einfach nur schlimm. Und traurig.