fast ein Jahr

Hallo Ihr,

nun sind einige Wochen und Monate verstrichen und es war immer ein Bedürfnis weiter zu berichten, aber meist fehlten die Zeit, die Ruhe, vor allem aber die Worte.

Der Tod eines Kindes und besonders der Tod seines Kindes ist etwas ganz Besonderes. Ich konnte mir nie etwas Schlimmeres vorstellen als dass meinem Kind etwas passiert, und heute kann ich mir immer noch nichts Schlimmeres vorstellen.

Immer wieder gehen die Erinnerungen zurück in die Zeit vor der Geburt und an die Nacht zum 3. Januar. Es stellen sich für mich die Fragen, was haben wir versäumt, was hätte anders sein müssen, was ist passiert? Ohne Vorwurf, ohne Groll. Die Geburt hat gut begonnen, alle waren entspannt, soweit es bei so einem Ereignis möglich sein kann, alles gut organisiert, und alles schien gut zu verlaufen. Dann war plötzlich alles anders, von jetzt auf nachher veränderten sich Leben. Alles ging dann sehr schnell, der Notruf, das Beatmen durch die Hebammen und dann das Verabschieden. Die kleine Emma lag in den Armen ihrer Mutter, alles war irgendwie schrecklich und nicht wirklich. Dann traf die ganze Mannschaft ein, und wieder war alles anders. Professionell wurde reagiert und gehandelt, wir sahen nicht dazu, wussten nicht genau was sie taten, saßen im Bett und versuchten mit der Situation klar zu kommen.

Der erste Morgen im Krankenhaus, Emma so nackt, hilflos und mit vielen Kabeln und Schläuchen, alles war wie in Watte gepackt, geschah irgendwie und irgendwie richtig.

Verunsicherung. Mir wurde etwas zum Trinken angeboten. Die ersten behutsame Gespräche, das Vorbereiten auf eine schwierige Zeit.

Die Tage verstrichen, alles bestimmt von und durch Emma. Es gab einiges zu organisieren, aber die Tage waren klar strukturiert. Jeder Tag gleich. Das gab uns Halt. Und das Gefühl des Angenommenseins in K1, kein Gefühl des Störens und keine Vorwürfe.

Ich erinnere mit noch gut daran, wie ich ermuntert wurde Emma doch eine Spieluhr zu besorgen und wie dankbar ich war etwas für Emma tun zu können. Ich hatte immer das Gefühl Emma ist hier auf der Station gut aufgehoben.

Und doch änderten sich immer wieder die Situationen: wird Emma überleben, wird sie aus dem Koma erwachen, wenn ja wie? Wird sie selbständig atmen? Wird die Gymnastik helfen, wird sie leben? Wie schwer behindert? Atemstillstand, epileptische Anfälle… wie groß ist die Lebenserwartung… sie wird sterben, bald.. Emma liegt in meinem Arm und ich muss an ihre Beerdigung denken.

Wir gehen mit ihr spazieren, alles scheint so normal, und doch nichts ist normal.

Ich habe Emma im Arm und dreimal muss sie an diesem morgen „gebeutelt“ werden.

Das sind Situationen, die sehr schlimm waren. Und trotzdem bin ich dankbar und froh, dass ich Emma 5 Wochen lang in den Arm nehmen, sie berühren und riechen konnte (und im Nachhinein aus Sorge leider nicht genügend gestreichelt und gedrückt).

Bei der Beerdigung waren sehr viele Menschen. Das hat uns sehr gefreut und gutgetan. Bunte Luftballone sind Richtung Sonne geflogen.

Die Zeit danach …. den Alltag können wir gut bewältigen, Johanna hält uns im Leben, wir arbeiten, trotzdem ist nichts mehr wie es vorher war. Prioritäten verschieben sich, ich begegne Menschen anders, bin dünnhäutiger geworden und in vielen Situationen doch gelassener. Und immer wieder gibt es schwierige Momente und Tage, wo plötzlich wieder klar wird: meine Tochter ist gestorben.

Das ist sehr schlimm.

Am 8. August, Emma war vor einem halben Jahr verstorben, haben wir zusammen mit Freunden eine Himmelslaterne mit den besten Grüßen und Gedanken an Emma steigen lassen. Seinen Gedanken und Gefühlen Ausdruck zu verleihen, eine Form für die Trauer zu finden ist schwierig und so wichtig. Und so unterschiedlich.

Das Funktionieren im Alltag lenkt ab.

In der Zwischenzeit war Juliane wieder schwanger. In der elften Schwangerschaftswoche ist das Kind im Mutterleib gestorben. Gestern war im EK die Beerdigung.

Das war kein gutes Jahr.

Emma war/ist ein ganz besonderes Kind, für uns und vielleicht für andere. Das hilft, das tröstet und verbindet.

Herzliche Grüße an alle, die sich Emma noch verbunden fühlen oder an uns erinnern.

Ansgar